Franchise-Partner werden häufig immer noch als „kleine Unternehmer“ oder gar „Unternehmer 2. Klasse“ angesehen. Dies soll gar nicht böse gemeint sein. Franchise-Partner würden schließlich auf einen großen Teil der unternehmerischen Freiheit verzichten. Das Unternehmenskonzept sei ihnen vorgeschrieben und die Entwicklungsmöglichkeit überdies eingeschränkt. Na, dann sind sie doch auch keine vollständigen Unternehmer, oder? Falsch!
Der moderne Franchise-Partner hat das Potenzial, tatsächlich der cleverere Unternehmer zu sein. Durch die Bereitschaft, seine unternehmerische Energie auf einen vorgegebenen Unternehmenstyp zu konzentrieren, ehrt er im asiatischen Sinn dessen Erfinder (also den Franchise-Geber) und belohnt ihn überdies durch die Franchise-Gebühren. Seine Unternehmerkunst sieht er also nicht darin, neue Wege zu erfinden und diese zu beschreiten. Vielmehr lässt er sich das Kopieren bewusst lizenzieren und konzentriert sich darauf, ein bereits erprobtes Unternehmenskonzept erfolgreich aufzubauen und mit diesem zügig zu expandieren. Geschickt kann er so seine eigenen Stärken mit denen des Franchise-Gebers vereinen und so innerhalb von wenigen Jahren ein Filialsystem in seiner Region aufbauen.
Beispiele gibt es genug
Vielleicht wird er einmal wie viele McDonald’s Franchise-Partner Chef von mehreren Restaurants mit mehreren hundert Erwerbstätigen. Vielleicht baut er auch ein Dienstleistungsunternehmen auf – wie die Franchise-Partner von Morgengold Frühstücksdienste mit 2.000 bis 3.000 aktiven Kunden. Vielleicht organisiert er, wie bei Pirtek, ein Unternehmen mit mehreren Service-Fahrzeugen, die z.B. auf Baustellen Hydraulik-Schäden an Fahrzeugen und Maschinen beheben. Oder er entwickelt sich wie der Unternehmer mit indischen Wurzeln, den ich mit seiner Großfamilie in den USA traf. Er war Inhaber von mehr als 100 Subway-Restaurants in den USA.
Beispiele gibt es genug. So unterschiedlich diese auch sind – den „Unternehmer 2. Klasse“ kann ich unter diesen Franchise-Partnern nicht entdecken. Vielmehr sehe ich in ihnen clevere Unternehmer, die die wesentlichen und risikoreichen Aufgaben der Entwicklungsarbeit und der Unternehmenssicherung „ihrer“ zentralen Stelle (dem Franchise-Geber) überlassen. Hierfür zahlen sie zwar viel Geld (bis zu 1/10 ihres Umsatzes), erhalten im Gegenzug aber auch jede Menge Leistung. In der Regel fahren erfolgreiche Franchise-Partner sechsstellige Gewinne ein – und das nach einer branchen- und unternehmenstypischen Entlohnung für ihre Arbeit.
Häufige Fehler
„Unternehmer 2. Klasse“ gibt es aber auch im Franchise. Als erstes fallen mir da die vielen Franchise-Geber ein. Die einen haben ihre Franchise-Systeme statt in die Expansion in die Stagnation geführt. Ihnen fehlen meistens heute die Perspektive und der Mut, nach eingehender Reflexion die richtigen Schritte zu unternehmen. Die anderen setzen auf Franchise-Partner, die selbst und ständig in ihrem einen Betrieb operativ arbeiten sollen. Meistens fehlen die Gewinnpotenziale und/oder die fundierten Franchise-Kenntnisse, um dies zu ändern. Nicht viel besser stehen auch Franchise-Geber da, die ihren Franchise-Partner auf Dauer keinen geldwerten Vorteil bieten können. Nach einer anfänglichen Lehrzeit des Franchise-Partners in den konzept- und branchenspezifischen Themen verlässt der Partner häufig das Franchise-System. In diesen Fällen fehlte es dem Franchise-Geber an Bindungskraft und nutzbringenden Leistungspaketen.
Franchise-Partner sind insbesondere dann Unternehmer 2. Klasse, wenn Sie zunächst wie Unternehmer investieren und sich dann wie Filialleiter verhalten. Sie akzeptieren, dass sie ihr eingesetztes Kapital kaum über die echten Unternehmensgewinne (Gewinn nach Kapitaldienst und adäquatem Gehalt) erwirtschaften können. Viele schwache Franchise-Partner sind zudem einfach überhaupt keine Unternehmer – sie hofften auf den gekauften Chefsessel und scheitern an ihrer Selbstständigkeit und/oder an ihrer Aufgabe.
Erfolgsfaktor Systemaufbau
Ich bin überzeugt, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Franchise-Systemen bereits im Aufbau liegt. Dafür sind weder das Handbuch noch der Vertrag an erster Stelle entscheidend. Viel wichtiger ist es, dass es dem Franchise-Geber mit seinem Team gelingt, den Erfolgscode seines Unternehmens zu entschlüsseln und zu standardisieren. Funktioniert das Marketingkonzept überall? Kann der eigene Führungsstil auf andere Unternehmer übertragen werden? Sind die Leistungsprozesse so einfach, dass sie schnell und sicher zu erlernen sind? Ist das Unternehmen für Franchise-Partner leicht zu finanzieren? Kann der Unternehmer von den voraussichtlichen Gewinnen leben und mit weiteren Betrieben expandieren? Ist das Unternehmen nach einiger Zeit des Erfolgs immer noch so interessant und profitabel, dass der Franchise-Partner es auch verkaufen könnte?
Der Franchise-Geber muss sich also fragen lassen, ob das Franchise-Partner-Unternehmen erfolgsversprechend, leicht zu vervielfältigen und zu führen sowie fungibel ist. Er muss über ein fundiertes Expansionskonzept sowie die stärke, Franchise-Partner zu finden und zu führen, verfügen. Er muss dann wissen, wie er mit der Franchise-Zentrale, seinem Marketing und seiner Beschaffung Geld verdienen will. Erst wenn sämtliche Fragen und Punkte geklärt sind, sollte er einen Anwalt hinzuziehen und die gewollten Inhalte in einen Franchise-Vertrag und ein Handbuch setzen lassen.