Die Vervielfältigung von Unternehmenskonzepten mittels Franchising ist längst in allen Branchen verbreitet und hat selbstverständlich auch vor den freien Berufen nicht Halt gemacht. Angesichts des weltweiten Erfolges von Markensystemen ist naheliegend, auch im Segment der Heilberufe mit Franchisekonzepten zu expandieren. Doch ist das ethisch und rechtlich grenzenlos möglich?
Mit den zunehmenden Schwierigkeiten der sozialen Sicherungssysteme sind in den letzten 10 Jahren niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und nichtärztlichen Heilberufe verstärkt unter wirtschaftlichen Druck geraten. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass dieser Druck politisch erwünscht war, um die niedergelassenen Berufsträger zu einem vermeintlich „wirtschaftlichen Handeln“ zu zwingen. Dass man heute ohne weiteres von der „Gesundheitsindustrie“ spricht und Arztpraxen gewissermaßen als Unternehmen versteht, ist eine Begleiterscheinung dieser Entwicklung.
Menschliches Leben und Marktgesetze, diese Kombination hat ihre Grenzen. Vor allem im Bereich der Humanmedizin ist es gesellschaftspolitisch ratsam, die Ärzte nicht ausschließlich den Gesetzen des Gesundheitsmarktes zu unterwerfen. Warum das so ist? Die Antwort lässt sich anschaulich auf den Punkt bringen: Spätestens dann, wenn sich ein Mensch mit einer lebensbedrohlichen Krankheit in Intensivbehandlung im Krankenhaus befindet, wird er erkennen, wie wichtig es ist, kein Kunde zu sein – sondern Patient. Bei der Humanmedizin geht es schließlich mitunter um Leben und Tod. Dies ist ein Bereich unseres Daseins, der in einer christlich geprägten Gesellschaft nicht der Selbstregulierung des Marktes unterworfen werden darf. In manchen Bereichen der Humanmedizin muss deshalb es ethische Grenzen des unternehmerischen Handelns geben.
Das gilt selbstverständlich nicht für alle Bereiche: Der Aufbau eines Markenfranchisesystems von Schönheitskliniken ist durchaus vorstellbar und wir werden dies in den kommenden Jahren auch beobachten können. Keinen Bedenken begegnen z.B. auch Apotheken- oder Zahnarzt-Franchisesysteme. Ganz im Gegenteil. Gerade im Bereich der Zahnärzte bedeuten Qualitätsnetzwerke einen deutlichen Vorteil für die Patienten und für die Praxen. Das ist bereits zu sehen, denn es hat sich ein führendes System für Zahnärzte erfolgreich etabliert. Bei der Behandlung durch Zahnärzte geht es meist auch nicht unmittelbar um Leben und Tod. Auch die Praxen von nichtärztlichen Heilberufen (z.B. Physiotherapeuten oder Logopäden) können mittels Franchising vervielfältigt werden, ohne sofort an ethische Grenzen zu stoßen. Im Bereich der nichtärztlichen Heilberufe werden in den kommenden Jahren erfolgreiche Franchisesysteme entstehen.