>> Hier kommen Sie zum ersten Teil der Praxisreihe.
Die Rolle der Franchise-Betriebsberater
Eine Franchise-Partnerschaft basiert auf dem Prinzip der Arbeitsteilung und lebt von Leistung und Gegenleistung. Der Franchise-Geber ist einerseits rechtlich dazu verpflichtet, den Franchise-Partner mit einem Leistungsangebot zu unterstützen. Denn das Unternehmenskonzept allein ermöglicht dem Franchise-Partner noch keinen Geschäftserfolg. Auf der anderen Seite ist der Franchise-Geber auch auf den unternehmerischen Erfolg und ein konzepttreues Verhalten seines Partners angewiesen. Unterstützende Aktivitäten sollen dem Franchise-Partner daher den Auf- und Ausbau seines Unternehmens ohne lange Vorlaufzeiten und zusätzliche (Entwicklungs-)Kosten ermöglichen und ihm die Organisation und Expansion vereinfachen. Die individuelle Beratung des Partners vor Ort ist dabei ein wesentlicher Teil im „Leistungsprogramm“ des Franchise-Gebers. So bieten über 80 Prozent der Franchise-Systeme in Deutschland ihren Franchise-Partnern eine persönliche Betreuung und Beratung vor Ort an.
Im Aufbaustadium eines Franchise-Systems erfolgt die persönliche Beratung meist noch durch den Franchise-Geber, sprich den Gründer selbst. Dabei kann er als Ideen- und Konzeptgeber direkt aus seinen Erfahrungen schöpfen und seine ersten Franchise-Partner quasi „aus dem Bauch“ heraus kompetent beraten. Mit zunehmendem Systemwachstum wird er für diese Aufgabe jedoch betriebsinterne Berater einstellen (müssen). Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte er sich zwei Kernfragen stellen: Welcher Beratungsansatz führt meine Franchise-Partner zum Erfolg? Welcher Mitarbeitertyp kann die mit der Beraterstelle verbundenen Aufgaben und Zielsetzung am besten erfüllen?
Aufgaben der internen Franchise-Betriebsberatung
Je besser die Zentrale ihre Partner informiert – und umgekehrt –, umso produktiver gestaltet sich die Partnerschaft. Besonders im Hinblick auf den erfolgsrelevanten Wissenstransfer in Franchise-Systemen (vgl. Teil 2 dieser Praxisreihe) hat die Betriebsberatung daher die primäre Aufgabe, Informationen zwischen den Systemmitgliedern auszutauschen.
Anders als bei der Führung eines Filialleiters sind weder der Franchise-Geber noch sein angestellter Betriebsberater gegenüber den Franchise-Partnern weisungsbefugt. Daher spricht man auch von einer „Beratung auf Augenhöhe“. Der Berater kann also nur Empfehlungen aussprechen oder auf die vertraglichen Pflichten hinweisen. Aus diesem Grund kommt es in der Beratung vor allem auf die Motivation der Partner an. Sie müssen von ihrem Berater dazu motiviert (nicht angewiesen) werden, das Gewünschte zu tun. Der Betriebsberater steht in regelmäßigem Kontakt zu den Partnern und fungiert zwischen ihnen und der Zentrale als Bindeglied. In dieser Funktion verantwortet er insbesondere:
- die Vermittlung der Systemstandards (Qualitätsmanagement) und des Systemwissens
- die Sicherstellung der konzeptgetreuen Umsetzung des Betriebstyps
- die Verfolgung des Geschäftserfolgs der Partner zur Früherkennung von Fehlentwicklungen
- die Motivation und Zufriedenheit der Partner
- den Informationsaustausch über die lokalen Märkte
- die Begleitung und Beratung der Partner bei der Unternehmensentwicklung
Aus Sicht der Franchise-Partner stellt die individuelle Beratung durch die Betriebsberater eine wesentliche Möglichkeit dar, das Systemwissen für den unternehmerischen Erfolg zu erlangen.
Fachberatung vs. Prozessbegleitung: Der „richtige“ Beratungsansatz
Je größer und komplexer ein Franchise-System wird, umso wichtiger ist es, dass die Erfolgsfaktoren im Franchise-Betrieb vor Ort eingehalten werden und die Marken- und Qualitätsstandards auch beim Endkunden ankommen. Der Befähigungs- und Beratungsstrategie des Franchise-Gebers kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Wichtig ist, dass Franchise-Geber den grundlegenden Beratungsrahmen definieren, um unterschiedlichen Herangehensweisen an bestehende Probleme sowie an die Vermittlung von Know-how Rechnung zu tragen. Dabei lassen sich zwei klassische Beratungsansätze unterscheiden, die für die Franchise-Betriebsberatung von Bedeutung sind:
1. Experten- bzw. Fachberatung
Die Fachberatung konzentriert sich auf die Bearbeitung von fachspezifischen Problemstellungen und versucht, für diese spezielle „Wissenslücke“ eine genaue Lösung zu finden. Ziel dieses Beratungsansatzes ist es, sachlich-fachliches und prozedurales Wissen zu vermitteln und praxisbezogene kreative Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Dafür braucht es Experten mit einer hohen Fachkompetenz, die auf themen- oder branchenspezifische Fragen und Standards spezialisiert sind und in ihrem jeweiligen Fachgebiet über ein hohes und aktuelles Wissensniveau verfügen. Unternehmen müssen daher entweder intern über Spezialisten für relevante Fachbereiche verfügen oder externe Experten hinzuziehen.
Die Experten- bzw. Fachberatung konzentriert sich in erster Linie auf die Wissensvermittlung zur Lösung konkreter Probleme, nicht jedoch unbedingt darauf, dass die Lösungskompetenz des Ratsuchenden insgesamt gesteigert wird.
2. Organisationsentwicklung bzw. Prozessberatung
Als Gegenpol zur Fachberatung lenkt die sogenannte Prozessberatung den Blick auf die Systemmitglieder, die Prozesse und das Gesamtsystem und zielt somit auf die Optimierung von Geschäftsprozessen ab. Sie basiert auf der Grundannahme, dass die Fachkompetenz zur Lösung von Problemen weitgehend in der Organisation vorhanden ist, die Leistungsfähigkeit jedoch gesteigert werden kann, indem Interessenskonflikte oder organisatorische Defizite so überwunden werden, dass sie bei den Beteiligten einen Lernprozess auslösen.
Die Rolle und Zielsetzung des Beraters besteht in erster Linie darin, den Veränderungsprozess innerhalb des Unternehmens zu initiieren, zu ermöglichen und zu unterstützen. Dabei sollen die Organisationsmitglieder mitwirken und ein Problembewusstsein entwickeln. Letztendlich sollen sie durch den angestoßenen Lernprozess ihre Probleme und Lösungen selbst verantworten und durchführen. Der Berater versteht sich dabei als Unterstützer und Begleiter und bietet so quasi „Hilfe zur Selbsthilfe“. Für diese Aufgabe benötigt er neben dem fachlichen Wissen vor allem soziale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, diese auch gezielt zu einsetzen.
Beide Beratungsansätze haben im Grunde den Anspruch, Lösungen für ein Problem anzubieten und sind in der Praxis selten trennscharf. Allerdings lässt sich hier festhalten, dass die Fachberatung allein eher auf eine einseitige Kommunikation ausgerichtet ist und daher für die Beratung von Franchise-Partnern nicht ausreicht. Sie kann bei sehr großen Systemzentralen mit einer fachlich differenzierten Organisationsstruktur zwar sinnvoll sein und ist für die Kompetenzführerschaft des Franchise-Gebers sogar notwendig, eignet sich jedoch weniger für die permanente Interaktion mit den Franchise-Partnern. Hier werden vielmehr qualifizierte Organisationsentwicklungs- bzw. Prozessberater benötigt, die in das gesamte Franchise-System eingebunden sind und Einfluss auf die Systemmitglieder nehmen können. Sie müssen einerseits in der Lage sein, bewährte Standards zu vermitteln, andererseits aber auch flexibel auf die zahlreichen Problemstellungen in den Partnerbetrieben reagieren können. Dabei gilt es, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen und sie in die Entscheidungs- und Umsetzungskultur einzubinden. Im Fokus stehen die Themen Kommunikation, Motivation, Konfliktlösung, Führung und das Sammeln von Erfahrungen. Dadurch und durch zusätzliche Maßnahmen zur Personal- und Teamentwicklung (Aus- und Fortbildungsmaßnahmen) können Lerneffekte erzielt und die Effizienz im gesamten Franchise-System gesteigert werden.
Franchise-Betriebsberater als Botschafter der Zentrale
Oft auch als Partnerbetreuer bezeichnet, ist der Franchise-Betriebsberater als „Abgesandter“ des Franchise-Gebers in einem definierten Gebiet tätig. In diesem begleitet er in der Regel 20 bis 30 Betriebe.
Franchise-Betriebsberater müssen zwischen den Vorgaben und Interessen des Franchise-Gebers sowie denen der Franchise-Partner zuverlässig vermitteln können. Sie müssen neben einer hohen Branchenkompetenz daher auch die Fähigkeit haben, Unternehmertum zu verkörpern und Franchise-Partner zu führen.
Im Umgang mit den unterschiedlichen Charakteren und Bedürfnissen gilt es für den Franchise-Berater vor allem, einen Interessensausgleich zwischen Franchise-Geber und Franchise-Partner zu schaffen. Dieser Spagat gelingt dem Betriebsberater nur auf eine Weise: Die Einhaltung der zu kontrollierenden Systemstandards muss sich unmittelbar positiv auf den Ertrag des Franchise-Partners auswirken und/oder die Arbeitsprozesse vereinfachen und damit effizienter machen. Abstrakte Nutzenversprechen werden von vielen Partnern weder geglaubt noch verinnerlicht. Ob etwas gut oder schlecht für die Marke ist und ob es Kunden schön oder weniger schön finden, interessiert also nur, wenn sich der Franchise-Partner daraus einen messbaren Nutzen versprechen kann.
Entsprechend der Vielzahl an Aufgaben eines Franchise-Beraters ist auch das Anforderungsprofil hoch. Er muss nicht nur führen und motivieren können, sondern in der Regel auch zeitlich flexibel und belastbar sein, Branchen- und Franchise-Kenntnisse mitbringen und vor allem mit Menschen umgehen können. Der Franchise-Geber sollte dieses Anforderungsprofil kennen und die Personen zur Beratung der Franchise-Partner entsprechend danach auswählen. Denn am Ende gilt: „Das wichtigste Instrument in der Beratung ist die Person des Beraters.“ [1]
Welches Anforderungsprofil sich in der Praxis bewährt hat und welche Erfahrungen Franchise-Geber gesammelt haben, erfahren Sie im vierten Teil unserer Praxisreihe.
[1] Quelle: Buchacher et al. (2012): Das Beratungsgespräch, S. 16 f.